Donnerstag, 20. Dezember 2012

Projekt Norwegen - Kapitel I


Unser Startpunkt war am Stromkilometer "49", direkt oberhalb des Blauen Wunders. Für alle denen das "Blaue Wunder" kein Begriff ist: Es handelt sich dabei um die Loschwitzer Elbbrücke in Dresden. Für die erste Etappe sollte es die Elbe hinunter gehen. Bei Lauenburg würden wir in den Kanal nach Lübeck abbiegen. Von Lübeck sind es ja dann nur noch knapp 20 Kilometer bis zur Ostsee. Bis nach Lübeck wollte ich gern richtig Tempo machen, denn dass Studium in den letzten fünf Jahren hatte nur wenig Zeit für Training gelassen. Diese Etappe wollten wir also als Trainingsetappe absolvieren. Sechshundert Kilometer Training sollte für den Teil auf der Ostsee reichen. Aber zu Beginn der Reise wussten wir ja noch gar nicht, was "Tempo" auf einer langen Reise im Wanderkajak bedeuten würde. Wir waren ja beide eigentlich überwiegend Rennkajaks gewohnt.

Streckenabschnitt I - Von Dresden nach Lübeck

Nach der Verabschiedung am Nachmittag des 22. August schafften wir es noch bis kurz vor Meißen. Damit waren es für den ersten Nachmittag immerhin schon etwa 30 Kilometer. Gemessen an den 1600 Kilometern bis Oslo oder gar 2200 Kilometern bis Trondheim wirkt diese Entfernung aber erschreckend klein. Diese Zahlenspiele mussten wir also schnell aus unseren Köpfen verbannen und uns auf die kleineren Ziele konzentrieren. Was bietet sich da mehr an, als sich mit den Flusskilometerschildern zu beschäftigen. In den folgenden Tagen feierten wir jeden Hunderte von zu Hause (also die Schilder "149", 249", usw.), dann die vollen Hunderter, Schnapszahlen und dazwischen, alle Schilder, die irgendetwas mit uns und unseren Geburtstagen zu tun hatten. Es gab also jeden Tag genug zu feiern auch sonst hatten wir unheimlich Spaß auf unserer Tour durch Deutschland. Im Schnitt schafften wir jeden Tag zwischen 50 und 60 Kilometer und wir hatten bald unseren Rythmus für den Tagesablauf heraus.

Wir feiern unsern 200. Streckenkilometer

Tagesablauf
Aufstehen war meist so gegen 7 Uhr angesagt. Nach den ersten 10 Kilometern des Tage gab es immer ein kurzes Frühstück auf dem Wasser. Dabei entstand unsere Tradition "Jeden Tag ein Apfel". Nach 20 Kilometern machten wir dann unseren ersten Landgang. Ein größeres, zweites Frühstück stand dann immer an. Zwanzig Kilometer waren auch immer die Grenzmarke, bei der wir, erstmals am Tag, nicht mehr sitzen konnten. Ein Landgang war deshalb alle 20 Kilometer vorerst Pflicht. So stand auch immer nach den weiteren 20 Kilometern am Nachmittag ein warmes Essen auf dem Plan. Bei diesem Rythmus schafften wir dann am Abend auch nochmal etwa 20 Kilometer. Besonders am Abend hat man das Gefühl, dass die Kajaks wie von allein fahren. Für besonders viele schöne Abendkilometer bekommt man am nächsten Morgen dann die Quittung, in Form von Muskelkater.

Franz setzt die "Jeden-Tag-ein-Apfel"-Regel durch

Zwischen Riesa und Torgau hört die Elbe dann entgültig auf, in einem Taleinschnitt zu fließen. Wir waren seit dem immer von Agrar- oder Naturlandschaft umgeben. Das Übernachten sollte uns nicht schwer fallen, da es von dort an immer mehr Sand und Kiesbänke entlang der Elbe gibt, welche zum Zelten einladen. Die Versorgung entlang der Strecke war eigentlich nie ein Problem. Ortschaften und Gaststätten gibt es genug am Fluss. Frischwasser für die Katzenwäsche ist also auch vorhanden. Nur die Ganzkörperpflege musste manchmal etwas zurückstehen. Das trübe Wasser der Elbe stinkt am Ende des Sommers. Braune Schwebteilchen, Schaum und tote Fische laden einfach nicht zum Baden ein. Da stinkt man dann mal lieber ein paar Tage mit der Elbe um die Wette. Und immerhin gibt es ja in Sachsen-Anhalt dann das "Blaue Band". Dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss von Bootsvereinen, Campingplätzen, usw. die Bootstouristen entlang der Elbe offen stehen. Hier konnten wir gelegentlich duschen, waschen, campen. Von Elster (Elbe) bis Magdeburg ist die Elbe dann stark nach West ausgerichten. Unser Timing war an diesen Tagen nicht besonders gut.

Der Tag vor Magdeburg
Wir legten am Morgen kurz vor Dessau ab. Der Wind hatte gegenüber dem Vortag aufgefrischt und kam nun von Nordwest. Auf allen geraden Strecken hatten wir direkten Gegenwind. Dadurch angestachtelt kämpften wir dagegen an und hofften auf jede Änderung der Flussrichtung. In diesen Flussbiegungen ließen wir es dann ruhiger angehen. Zwar gibt es, verglichen mit Dresden, kaum noch Strömung, aber wir mussten gelegentlich mal die Seele baumeln lassen. In der letzten stürmischen Passage vor Schönebeck schwappten dann die Wellen ordentlich auf unsere Decks. Gerade, als wir eine Brückenbaustelle passierten riß der Sturm eine Bauplane los. Ich fischte sie aus der Elbe und wir schnitten uns einen Teil als Segel und Zeltunterplane ab. Aber ans Segeln war heute nicht mehr zu denken. Als am Abend der Sturm nachließ trudelten wir noch bis Magdeburg in einen kleinen Hafen. Mächtig ausgepowert richteten wir unser Lager auf und genossen Dusche, Wäsche waschen und das Abendbrot auf der Hafenwiese. Der Blick auf die Karte machte uns schon Stolz. Trotz Gegenwind hatten wir an diesem Tag unsere längste Strecke hinter uns gebracht. Die 70 Kilometer dieses Tages sollten bis Oslo nicht zu knacken sein. Dafür war der nächste Morgen dann ziemlich zäh und wir legten erst kurz vor Mittag ab.


Ab Magdeburg hatten wir dann fast nur noch Sandbänke um uns herum. Wir kreuzten den Mittellandkanal und besichtigten Tangermünde. Nach dem Elbknick bei Havelberg verließen wir dann vorübergehend die Zivilisation. Zwischen Wittenberge und Lauenburg ist die Elbe immer wieder in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen innerdeutschen Grenze. Ein bisschen vermissten wir da schon, dass es nirgends größere Städte an der Strecke gibt. Im Ausgleich dagegen bekamen wir unzählige Zug- und Wasservögel zu sehen. Und wir konnten mal unmittelbar an einen Beobachtungsturm der einstmaligen DDR-Grenze heranlaufen. Ich weiß nicht warum, aber dass wollte ich schon immer mal machen. Irgendwie ist das schon Geschichte zum Anfassen - auch wenn es kein schöner Teil unserer Geschichte ist.

Wir passieren Tangermünde

Landgang am B-Turm der ehemaligen Grenze

Die letzten Kilometer auf der Elbe
Den letzten Abend auf der Elbe werden Franz und ich wohl nicht so schnell vergessen. Die Abendsonne bot ein schon nahezu kitschiges Farbenspiel. Während sich der Horizont und die Sonne in extremem Rot färbte, trennte eine dunkle Wolkenwand das Farbenspiel vom dunklen Abendhimmel über uns. Das Wolkenband zog geradewegs auf uns zu und die Ausläufer der Regenschleier ließen die rote Sonne dahinter nur verschwommen durchscheinen. Franz und ich waren sowieso schon auf der Suche nach einem Schlafplatz am Ufer. Wir hatten die Qual der Wahl, denn die Ufer, rechts und links von uns, waren gesäumt von langgezogenen Sandbuchten. Plötzlich zuckte aus der finsteren Wolke ein Blitz zu Boden. Weit kann er nicht von uns eingeschlagen haben, weil darauf auch sofort der Donner folgte. Kräftig setzte ein Windstoß von vorn ein und signalisierte uns, dass das Gewitter in wenigen Augenblicken passieren würde. Ein kurzer Spurt brachte uns ans Ufer und in Windeseile zogen wir die Kajaks den Strand hoch. Das Zelt stand innerhalb weniger Minuten - wir waren mittlerweile ein gut eingespieltes Team. Kaum stand das Zelt, da warfen wir auch schon alles Gepäck hinein. Wir sprangen hinterher. Dann hieß es erstmal abwarten. Aber das schlimmste blieb uns erspart. Das Gröbste zog an unserer Position vorbei und mehr als ein bisschen Regen bekam unser Lager nicht ab.
Überraschender war dann der nächste Morgen. Der Blick aus dem Zelt offembarte nur Nebel - extrem dichten Nebel. Wir konnten nicht einmal bis zur Flussmitte schauen. Damit mussten wir abwägen, ob es gut ist überhaupt abzulegen, bevor sich nicht der Nebel verzogen hat. Wir entschieden uns, trotz Nebel, weiterzupaddeln. Nur langsam tasteten wir uns in Ufernähe weiter. Unsichtbar, aber hörbar passierte ein Schlepper in der Flussmitte. Nur als dunklen Umriss konnten wir ihn erahnen. Ein paar Kilometer später erschien eine Fähre aus dem Nebel. Wir kreuzten ihren Weg, nachdem sie vorbeigezogen war. Gleich darauf war sie auch schon im Nebel hinter uns verschwunden. Als sich der Nebel endlich lichtete erreichten wir den Flusskilometer "555". Unsere Tour war nun also schon mehr als 500 Kilometer lang. Die restliche Strecke bis Lauenburg paddelten wir in bestem Sonnenschein. Unmittelbar an der Einfahrt in den Elbe-Lübeck-Kanal empfing uns die "Kaiser Wilhelm", ein Seitenraddampfschiff. Die Analogie zu unseren Raddampfern in Dresden wirkte schon fast wie ein gutes Zeichen.



Der Nebel am nächsten Morgen

White-out

Nun hatten wir schon mehr als 500km hinter uns

Elbe-Lübeck-Kanal
In Lauenburg machten wir eine ausgedehnte Pause unter ließen die Erlebnisse der letzten Tage auf uns wirken. Von nun an sollte es geradewegs nach Norden Richtung Lübeck gehen. Franz und ich passierten eine Werft. Auch wenn unsere Dampfschiffe und Schlepper in Dresden nicht gerade klein sind, so lagen hier schon deutlich größere Schiffe auf der Werft. Der Eingang zum Kanal war uns durch eine Schleuse versperrt. Mit der Vorfreude und Anspannung kleiner Jungs erwarteten wir zwei unsere Einfahrterlaubnis in die Schleuse. Nachdem ein Schlepper und diverse Yachten herausgefahren waren, war es für uns soweit. Wir durften hineinpaddeln. Mit viel Getöse wurden wir nun auf das Kanalniveau gehoben - schätzungsweise knapp 10 Meter. Nun sollten wir keine Strömung mehr haben und das spürten wir dann doch deutlich. Das Paddeln im Kanal kann man als schön, aber ereignislos beschreiben. Am Ufer gab es kaum anderes Wald Wiese und die grüne Uferböschung zu sehen. Gelegentlich begegnet man Yachten und Schleppern. Da waren die vielen Schleusen schon echte Highlights. Aber gleichzeitig kosteten sie uns auch eine Menge Zeit. So mussten wir zweimal am Kanal nächtigen. Wir verbrachten eine Nacht am Kanalrand und eine zweite Nacht im Unterwasser der Schleuse von Krummesse. Mittlerweile hatte sich unter den Schleusenwärtern herumgesprochen, dass da noch zwei Kajakfahrer im Kanal unterwegs seien. Somit war unser Ankommen an der nächsten Schleuse meist schon im Voraus bekannt. Am Ende des Kanals erreichten wir gemeinsam Lübeck und errichteten unser Lager im Stadtpark.
Franz musste leider vorzeitig zurück in Heimat. Wir breiteten sämtliche Ausrüstung aus und entschieden, was ich auf meiner weiteren Fahrt mitnehmen würde, was Franz mit zurück nach Dresden nehmen sollte und was wir gleich vor Ort entsorgen. Schweren Herzens trennten wir uns. Franz lief zum Bahnhof und begann eine abenteuerliche Heimfahrt. Er war voll bepackt mit dem normale Gepäck, plus Faltboot und Paddel.

Raddampfer "Kaiser Wilhelm" in Lauenburg

Tobias Krug in einer Schleuse des Elbe-Lübeck-Kanals

Lange Geraden auf dem Kanal

Gemeinsame Ankunft in Lübeck

Unser Zigeunerlager im Stadtpark von Lübeck


Das erste Mal Ostsee

So ging es nun doch zeitiger als gewollt allein weiter in Richtung Norden. Ich paddelte allein durch Lübeck und weiter nach Travemünde. Hier begegnete ich den ersten Hochseeschiffen und fuhr weiter Richtung Timmendorfer Strand. Hier schlug ich dann erstmal mein Lager auf. Seit Lübeck hatte ich die ersten richtig hohen Schiffswellen, jede Menge kleinere seetaugliche Yachten und die großen Fähren erlebt. Genug, um davon mindestens eine Stunde zu berichten. Und ich dachte mir nur immer wieder: "Schade, dass das jetzt Franz nicht miterlebt..."

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Blogeintrag vom 30.08.2012:

++++++++++20 km vor Lauenburg++++++++++


Kommentare:

  1. hallo Tobias, tolle und beeindruckende Idee/ Fahrt! Nicht unbedingt was für die Laien- Senioren- Einarmfahrer ;-) aber ich wünsche dir eine gute Fahrt, schöne Erlebnisse und eine glückliche Heimkehr. 
    Gruss Frank/ LPG

  2. Hi Brüderchen,
    na das klingt ja, als würdet ihr super vorran kommen.
    na dann haltet mal die ohren steif und viel spaß und ne gute weiterfahrt.
    Chris und lisa

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Projekt Norwegen - Prolog

 

Ende des Jahres 2011 stand eine Reise nach Skandinavien überhaupt noch nicht auf meiner Wunschliste. Nach den Touren, kreuz und quer durch Europa und der Reise nach Peru, war ich eigentlich auf ganz Anderes eingestellt. Es sollte für 2012 weiter in den Osten Europas gehen. Doch dann kam alles anders, als gedacht.
Doch dann machten wir im Winter die Bekanntschaft mit Emmy. Emmy war eine Erasmusstudentin aus Norwegen und bis Anfang Februar meine Komillitonin. Bei Ihrer Abreise war Doreen und mir klar, dass wir unsere neue Freundin in ihrer Heimat besuchen würden.
Aber es war lange nicht geklärt, mit welchem Verkehrsmittel dieser Urlaub von Statten gehen sollte. Bis heute ist mir nicht ganz klar, wie ich dazu kam, aber parallel zu unseren Urlaubsplänen mit dem Auto entwickelte sich in meinem Kopf der Gedanke mit dem Kajak von Dresden nach Norwegen zu paddeln. Anfangs war es nur der mögliche Weg mit dem Finger auf der Karte. Wenige Tage später saß ich in einem alten Rennkajak mit Zusatzgewichten zur Probe. Das Ergebnis war, dass es selbst mit einem modifizierten Rennkajak nicht möglich sein sollte und ich definitiv ein Seekajak bräuchte.
Kurz vor Ostern hatte ich dann mein Seekajak gekauft und in den folgenden Monaten Stück für Stück Ausrüstung für die Tour zusammenorganisiert. Was fehlte war zum Einen die Erfahrung mit dem Seekajak und zum Anderen ein Mitstreiter.

Reiseroute von Dresden nach Oslo

Voraussetzungen
Ich bin schon seit 1999 im Rennkajak unterwegs und habe dementsprechend keine Probleme, was Balance, Ausdauer und Kampfgeist betrifft. Allerdings hatte ich schon die vage Ahnung, dass es etwas signifikant anderes sein sollte, mit einem Kajak eine Meeresküste entlangzufahren. Man kann also sagen, dass ich auf dem Gebiet des Seekajakfahrens ein Anfänger war.
Das brachte mich zu dem Gedanken an einen Begleiter auf meiner Reise. Diese Frage wollte ich zuerst mir selbst beantworten. Wollte ich überhaupt mit jemandem Reisen? Klar, die Vernunft rät dazu. Man bekommt mehr Sicherheit in Notsituationen und vermeidet einsame Momente und die damit verbundenen Motivationsprobleme. Aber das war damals noch reine Hypothese. Ich war noch nie in einer existentiellen Notsituation. Ich war ja auch noch nie auch dem Meer gepaddelt. Und mit Motivationsproblemen hatte ich auch noch nie zu tun, auch wenn ich schon ein paar mal allein unterwegs war. Solange ein Ziel vorhanden ist, habe ich etwas worauf ich hinarbeiten kann. Nicht zuletzt hat eine Solotour auch seinen Reiz. Man muss seine Entscheidungen nur mit dem eigenen Gewissen vereinbaren, kann schneller Entscheidungen treffen - manchmal auch schlechte. Aber um den Vernunftsargumenten Genüge zu tun fragte ich bei allen möglichen Freunden nach. Zugegebenermaßen hatte ich dabei kaum Erfolg. Aber wen wundert Das? Auf der einen Seite ist die Idee schon etwas verrückt - immerhin war damals noch Trondheim das Ziel. Auf der anderen Seite hat halt nicht jeder Zeit mal eben mehrere Wochen von zu Hause weg zu laufen oder eine gehörige Stange Geld in ein solches Unternehmen zu investieren. Aber ich konnte Franz wenigstens für ein Dreiwochen-Fenster gewinnen, in dem er mich begleiten wollte.

Erkundung in Norwegen
Schließlich war im Juli meine Masterarbeit und somit mein Studium abgeschlossen. Zwei Tage später saßen Doreen und ich im Auto auf dem Weg nach Norwegen. Wir fuhren in die Fjorde nördlich von Trondheim und besuchten anschließend Emmy und ihren Freund Lars. Drei Wochen lang tobte wir uns zwischen Trondheim und Oslo aus, wanderten unter Anderem zur Trolltunga, kletterten im Setesdal und besuchten als Abschluss auch noch Emmys Familie in Oslo. Immer wieder konnte ich in diesem Urlaub einen Blick auf Abschnitte meines bevorstehenden Abenteuers werfen. Bei guten Bedingungen schien es auf jeden Fall möglich. Der Abschnitt von Oslo bis Trondheim schien mir damals am schwersten zu realisieren.

23Uhr-Sonne am norwegischen Fjord

"Trolltunga" - die Felszunge bei Odda

Die Oper von Oslo - symbolisches Ziel der Reise

Das Team
Paddler Nr 1: Tobias Krug
Ziel: Trondheim/ Oslo
Qualifikation: gnadenloser Optimist, der hier seine Idee verwirklichen will


Paddler Nr 2: Franz Roller
Ziel: Kopenhagen
Qualifikation: langjähriger Paddler, der immer mit guter Laune dabei ist


Organisation: Doreen Winkler
Ziel: das alles zu Hause reibungslos abläuft (Blog-Verwaltung, Finanzmanagment)
Qualifikation: Freundin von Paddler Nr1 und schon deshalb perfekt dafür geeignet :)

Franz Roller (links) und ich auf der Elbe

Letzter Countdown
Zurück in Dresden machten Franz und ich uns an die letzten Vorbereitungen. Wir musste für ihn noch die komplette Ausrüstung organisieren und das Ganze bei einem minimalen studentischen Budget. Von Kletterfreunden liehen wir uns ein altes Faltbootkajak und machten es seetüchtig. Oder zumindest hofften wir, dass es ausreichen würde. Die Modifikationen und Anschaffungen dauerten nochmals eine Woche und so legten wir um 16Uhr, am 22. August 2012 mit unseren Kajaks in Dresden ab. Der Faltbooteiner von Franz war mit Gepäck vollgestopft und mein Seekajak war auch bis auf das Oberdeck beladen. Ein Zurück gab es für uns schon lange nicht mehr. Allerdings hatten wir uns vorgenommen, die Tour nur so weit zu treiben, wie wir es für richtig halten.

Letztes Foto vor der Abfahrt

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Blogeintrag vom 22.08.2012

Nachdem sich der Abreisetermin etwas nach hinten verschoben hat soll es nun nachher endlich nach Norden losgehen. Die Abfahrt steht für Mittwoch Vormittag gegen 10Uhr hier in kurz oberhalb des Blauen Wunders an. Die letzten Wochen waren wir schonmal mit dem Auto in Skandinavien unterwegs und haben die Planung für die Kajakreise verfeinert. In den  letzten sieben Tagen mussten alle Vorbereitungen getroffen werden, damit ein optimaler Ablauf der Reise gewährleistet ist.


Unser Norwegen-Urlaub war ein super Erfolg. Der Blick auf das Meer und die Flüsse und Seen in Norwegen haben mich zu dem Schluss gebracht, dass nun diese Kajak-Tour auf jeden Fall möglich ist, sofern ich das Durchhaltevermögen habe und in Skandinavien dieses Jahr kein allzu früher Wintereinbruch erfolgt. Bezüglich des Routenplanes gibt es also nur kleinere Änderungen.

Die erste Etappe ist von Dresden die Elbe hinunter und durch den Elbe-Lübeck-Kanal bis an die Ostsee und entlang der Küste bis nach Puttgarden auf der Insel Fehmarn. Hier liegt eine etwa 20 km breite Passage über die Ostsee vor mir. Wir sind im Urlaub mit der Fähre an dieser Stelle übergesetzt und das Wetter müsste schon absolut ideal und die Ostsee schön spiegelglatt sein, dass ich diesen Part mit dem Kajak wage. Die zweite Etappe führt dann entlang der dänischen Inseln und der schwedischen Westküste nach Norden. Hier gibt es jede menge Sandstrände und Buchten mit seichtem Wasser. Ideal zum Baden und Entspannen, aber gleichzeitig vom Meer her ziemlich ungeschützt. Die schwedischen Strände könnten also durchaus hohe Wellen und die eine oder andere Überraschung bereit halten. Etappe Nummer drei fängt ein wenig südlich von Göteborg an erstreckt sich über die Schären bis nach Oslo. Hier gilt es sich nicht zwischen den vielen kleinen Inselchen zu verfahren. Gleichzeitig dürfte ich dort vor der offenen See etwas geschützt sein. Die letzten zwei Etappen sollen dann quer durch Norwegen gehen. Ihre Durchführung hängen ganz klar davon ab, wann ich Oslo erreiche und wie es mit dem Winter im Inland aussieht. Dabei werde ich dann diversen Flüssen und Seen nach Norden folgen und mich über einen niedrigen Gebirgspass in die Fjorde bei Trondheim begeben. Somit ist dann auch schon bald Trondheim als Ziel meiner geplanten Reise erreicht. Gerade die Abschnitte von Oslo bis Trondheim habe ich mir vor Ort genau angesehen und denke, dass es bei günstigem Wetter gut machbar ist. Ich möchte diesen Teil der Reise eigentlich unbedingt machen, weil ich mir da den meisten Kontakt mit den Norwegern vorstellen kann und dadurch mein Norwegisch verbessern kann.
Die zweite Änderung in der Reise ist die Begleitung. Franz wird mich mit dem Faltboot die ersten drei Wochen begleiten. Wir haben in der Tourenplanung ungefähr berechnet, dass wir es zu zweit bis Kopenhagen schaffen können. Dafür haben wir uns jetzt nochmal intensiv Zeit genommen, um das Faltboot auf die bevorstehenden Anforderungen vorzubereiten. Der Einbau eines Stemmbrettes, die Modifikation der Steueranlage, zusätzliche Schwimmkörper, ... Die Liste der Um- und Einbauten war recht lang geworden. Und nachdem wir heute mit fast allem fertig waren ging es ans Sachen packen. Mit der Erkenntnis, dass nicht gerade viel in ein Faltboot hineinpasst und dass die Gepäckluken meines Seekajaks sehr klein gebaut sind.

Nun müssen nur noch nachher die Vorräte verstaut werden und dann gehts los. Boote den Elbhang runter und bis an die Elbe bringen. Und dann kann und´s wohl nichts mehr aufhalten.

Wir sehen uns dann also erst zeitigstens Ende Oktober wieder. Hier auf dem Blog wird Doreen regelmäßig Neuigkeiten eintragen. die ich ihr zusende.

Also bis bald... Vi sees!

Samstag, 8. Dezember 2012

Kroatien - Rückreise mit filmreifer Einlage


Paklenica - Kraljevica:
Wer hätte gedacht, dass der Weg zurück so spannend wird. Am Morgen nach unserem letzten Klettertag gingen wir es nochmal ganz ruhig an. Bei schönstem Sonnenschein gingen wir nochmal baden, ärgerten Seegurken und fingen uns, zur Beobachtung, einige Garnelen. Wir hatten ja noch so viel Zeit, bis der Bus am zeitigen Nachmittag zurück in den Norden fahren würde. Da wir auf dem Rückweg auch wieder möglichst viel trampen wollten, stand Körperpflege ganz oben auf der To-Do-Liste. Rasieren, Duschen, Haare waschen, saubere Kleidung anziehen - alles Pflicht, wenn wir den Autofahrern nicht als stinkende Barbarenhorde in Erinnerung bleiben wollten. Da wir nicht wussten, wie es in der Region mit der Pünktlichkeit der Busse beschieden ist, gingen wir ein bisschen zeitiger zur Haltestelle. Das Wetter war sonnig, wir saßen im Haltestellenbereich auf unseren Rucksäcken und überbrückten die Wartezeit damit, vielleicht doch eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern. Aber die Mühen waren vergebens. Zwar waren schon einige Touristen auf dem Weg nach Nord, aber niemand hielt an. Der Bus kam, wir stiegen ein und ich bin mir nicht sicher, ob der Fahrer uns so unter der Hand mitgenommen hat. Wir bekamen einen Sonderpreis und mussten auch für die Gepäckaufgabe nichts bezahlen. Ich bin mir fast sicher, dass der Fahrer und sein Begleiter das Geld für ein netten Zusatzverdienst brauchten.

Fabian bei Trampversuchen in Paklenica

Mit Torsten an der Bushaltestelle

Der Zustand des Busses war nicht so top, wie auf der Hinreise, aber da war ich ja schon eine Menge von der Reise in Peru gewöhnt. Hauptsache, man kann es sich für die Fahrt gemütlich machen. Die Rückfahrt dauerte mehrere Stunden. In dieser Zeit änderte sich das Wetter rapide. Eine bedrohliche Wolkenfront kam vom Festland und schlug mit enormem Wind auf die Wasserfläche. Unser Bus auf der Küstenstraße begann bedrohlich im Sturm zu schwanken und durch die Klimaanlage regnete rein. Ein junge Frau, die dort saß, wo es reinregnete, rutschte einfach auf den Nachbarplatz. Scheinbar war der Zustand des Busses eher normal für die Gegend. Das Wetter war es allemal, denn es muss die Bora gewesen sein. Die Bora ist ein starker ablandiger Wind im Bereich Kroatiens. Im vorfeld hatte ich schon einiges von Kajakfahrern gelesen, die wegen dieser Wind in Seenot geraten sind. Nachdem wir diesen Sturm, die Wellen und die enorme Gischt gesehen hatten, war uns klar, dass diese Geschichten durchaus der Realität entsprechen sollten. Aber wir waren ja recht sicher in unserem Bus. Aber in Kraljevica musste wir aussteigen und der Temperatursturz ließ uns frösteln. Wir waren im T-Shirt eingestiegen und beeilten uns nun, schnell an der Haltestelle die warme Kleidung aus den Rucksäcken zu kramen. Um den Abend und auch den Kroatienaufenthalt abzurunden suchten wir uns eine Pizzeria und schlugen uns die Bäuche voll. So verbrauchten wir noch einen Großteil unseres kroatischen Geldes. Dadurch suchten wir uns erst spät einen Übernachtungsplatz. Im dunkeln ist es immer schwierig einen Schlafplatz in der Nähe einer Ortschaft zu finden - sofern man nicht gerade in ein Hotel einziehen will. Man kann nie wissen, wer den Schlafplatz am zeitigen nächsten Morgen nutzt und ob man diesen Menschen akut stört. Unser Ziel ist es immer einen Ort zur Übernachtung zu finden, der von den Einheimischen geduldet wird. Dass wir dabei unsere Lagerplätze in einem sauberen Zustand zurücklassen, versteht sich von selbst. Diesmal sollte uns das Vordach eines Gebäudes am Rand eines abgelegenen Fußballplatzes Schutz vor Wind und Wetter geben. Das Schlafen auf dem harten Betonboden ist zwar nicht sehr angenehm, aber wenigstens sollte uns hier kein Regen in der Nacht unangenehm überraschen.

Die Gischt der Bora vor der kroatischen Küste

Kalter Empfang in Kraljevica

Kraljevica - Rijeka:
Der nächste Morgen war kalt. Nicht zu vergleichen mit den Temperaturen eines Oktobermorgens in Deutschland, aber doch merklich kälter, als der Morgen zuvor in Paklenica. Etwas fröstelnd fanden wir uns auf einem Parkplatz am unteren Ende der Bucht südlich von Rijeka ein. Umringt von Wohnmobilen begannen wir um Mitfahrgelegenheiten zu werben, aber kein Fahrzeug wollte anhalten... mehrere Stunden nicht. Parallel dazu nutzten wir die Zeit, um zu frühstücken. Als die ersten Bewohner der Wohnmobile aufwachten, kamen wir mit diesen ins Gespräch. Einige hätten uns mitgenommen, aber waren noch auf dem Weg in den Süden. Andere hingegen waren auf dem Heimweg in den Norden - einer sogar auf dem Weg nach Pirna - aber keiner von ihnen wollte auch nur einen von uns mitnehmen. Nicht einmal für ein paar Kilometer. Das ist dann schon echt frustrierend, wenn man im Gespräch bereits eine Vertrauensbasis verspürt, dann aber doch eiskalt abgewiesen wird. Ich kann Autofahrer verstehen, wenn sie in einem fremden Land nicht anhalten oder Angst haben jemand mitzunehmen, aber wenn man schon im Gespräch war und weiß, dass der Tramper ein netter Mensch aus der Heimatstadt nebenan ist, dann sollte es doch möglich sein, ihn wenigstens ein Stück weit Hilfe zu offerieren. So lichtete sich, Stück für Stück, der Parkplatz und am Ende standen nur noch Torsten, Fabian und ich mit dem Daumen an der Straße. Es lag auch definitiv nicht an zu geringer Durchflußmenge von Fahrzeugen, denn es war ein reger Rückreiseverkehr nach Norden. Wir versuchten es auch abwechselnd mit unterschiedlichen Zielen - Hauptsache nördlich und sei es bloß der Sprung bis Rijeka. Aber bis etwa 10 Uhr tat sich nichts. Dann stoppte unerwartet ein weißer Kleinwagen. Der ältere Herr auf dem Fahrersitz bot zweien von uns eine Möglichkeit zum Mitfahren bis zur Autobahn bei Rijeka an. Für mich war die Sache klar, dass Fabian und Torsten mitfahren sollten. Ich weis nicht so ganz woran es liegt, aber ich brauche wohl manchmal auch ein Abenteuer für mich allein und weis, dass ich schon irgendwie aus jeder Situation herauskomme - jedenfalls habe ich den nötigen Optimismus dafür. Außerdem dachte ich, dass ich ja ohnehin allein vielleicht eher eine Chance hätte, jemanden anzuhalten, als zu dritt.

So trennten sich unsere Wege mal wieder. Während ich nun weiter verzweifelt versuchte jemand anzuhalten, begann ein ganz eigenes Abenteuer für Fabian und Torsten. Der nette Herr wollte sie später auf dem Standstreifen der Autobahn rauslassen - direkt zwischen zwei Tunneln. Trampen vom Standstreifen aus sei in Kroatien an der Autobahn üblich. Zum Glück konnten die zwei den Vorschlag abwenden, denn wenn keiner anhält, kannst Du zwischen zwei Tunneln ja überhaupt nicht von deinem Posten als Tramper weg. Die Alternative war aber nicht gerade viel besser. So wurden sie an einer Stadtausfahrt von Rijeka herausgelassen, wo aber keinerlei Verkehr Richtung Slowenien vorbei kam. Lediglich Fahrzeuge mit dem Stadtkennzeichen von Rijeka sollen es gewesen sein. Also liefen die beiden in die Stadt hinunter und zum Bahnhof. Dort kauften sie vom letzten kroatischen Geld zwei Tickets für den Mittagszug nach Ljubljana.


In dieser Zeit musste ich die schmerzliche Erfahrung machen, dass auch in der nächsten halben Stunde niemand, auch nur ansatzweise, Anstalten machte mich mitzunehmen. Kurzerhand schnallte ich mein Pappschild auf die Rückseite meines Rucksacks und begann die Landstraße entlang zu laufen. Mittlerweile hatte sich die einsetzende Mittagssonne durchgesetzt. Die damit verbundene Wärme ließ mich ganz ordentlich unter meinem schweren Rucksack schwitzen. Ich habe nie gemessen, wie schwer er war, aber im Gepäck steckte Kleidung für jedes Wetter, Schlafsack, Leichtisomatte, Kocher, Hängematte, Spiegelreflexkamera, Klettergurt, Kletterseil, Kletterkarabiner, Klemmkeile, Essen und Trinken. Insgesamt schätze ich meinen Rucksack auf etwa 15 bis 20 Kilogramm. An den Füßen hatte ich meine Bergstiefel. So umrundete ich die Bucht und machte dabei ungefähr 7 Kilometer. Während der gesamten Zeit hielt ich permanent den Daumen raus, machte mir aber mittlerweile kaum noch Hoffnung, dass mich jemand noch mitnimmt.
Bei der Autobahnauffahrt von Bakar machte sich mein Handy bemerkbar. Fabian setzte mich davon in Kenntnis, dass sie 12 Uhr in Rijeka mit dem Zug nach Ljubljana aufbrechen. Ich schaute auf die Uhr und auf die Landkarte. Es war nun kurz nach 11 Uhr und es gab zwei Optionen, um zu Fuß nach Rijeka zu laufen. Die Landstraße am Meer schätzte ich auf etwas mehr als 10 Kilometer (tatsächlich 13km), aber auf einer Höhe. Die Alternative führte über einen Bergrücken und ich schätzte die Entfernung optimistisch auf etwa 7 Kilometer (tatsächlich 9km). Unter normalen Trainingsbedingungen schaffte ich 10 Kilometer in etwa einer halben Stunde. Wie es sich mit vollem Rucksack und in Bergstiefeln aussehen würde, daran wollte ich nicht denken. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt kein Bargeld mehr und bei mir ist immer eine große Portion Optimismus inklusive. Ich packte kurzerhand alles, was ich am Mann hatte in den Rucksack und begann zu rennen. Als Route wählte ich die kürzere, weil ich sowieso schon fast auf dem Bergrücken war und weil sie die kürzere Route war. Ich rannte, was die Beine hergaben und versuchte im Rennen die vorbeikommenden Fahrzeuge anzuhalten, aber ohne weiteren Erfolg. Irgendjemand musste doch bei einem rennend-trampenden Backpacker anhalten! Diesen verzweifelten Spurt setzte ich etwa 4 Kilometer fort, lediglich unterbrochen, um Leute entlang der Straße anzusprechen, ob sie mich in die Stadt bringen könnten. Aber verzweifelte Taten bringen wundersame Lösungen mit sich. Als ich gerade wieder einen älteren Herren versuchte zu überzeugen, mich zu fahren, da hielt neben mir ein kleiner silbergrauer PKW.
Den Anblick werde ich wohl nie vergessen. Auf dem Fahrersitz ein junger Kerl mit struppigem Haar und gestreiftem Sweatshirt. Auf dem Beifahrersitz wohl seine Freundin im gelben Pullover, mit großer Sonnenbrille, knallrotem Lippenstift und einem kleinen Hund auf dem Schoß. In der Hand lässig eine Zigarette. Hastig fragten mich beide, was ich hier mache und wo ich hin will. Meiner Erklärung, dass ich um 12 Uhr am Bahnhof in Rijeka sein müsste, folgte ein gemeinsamer Blick zur Uhr im Fahrzeug. Es war nun schon kurz nach 11:30 Uhr. Mit diesem ganzen Gepäck würde ich es spurtend definitiv nicht mehr schaffen - Optimismus hin oder her. Die junge Frau sprang aus dem Auto, klappte den Sitz vor und ehe ich mich versah saß ich mit meinem Rucksack auf der Rücksitzbank und mein Duo Infernale gab Vollgas in Richtung Rijeka. Was nun folgte, wirkte auf mich so spektakulär, dass es der gesamten Aktion ein filmreifes Finale gab.
Durch die Dörfer raste der Kleinwagen nur so dahin, aber mit dem Ortseingang von Rijeka wurde der Verkehr dichter. Im Zick-Zack-Kurs schlängelten wir uns durch den dichten Verkehr. Der Zeiger näherte sich trotzdem unweigerlich der zwölf. Fünf Minuten vor 12 befanden wir uns im Zentrum der Stadt. An einer roten Ampel staute sich der Verkehr. Obwohl wir einer der zwei Spuren nach links folgen mussten, sortierte sich mein Fahrer in die Rechtsabbiegerspur, weil wir hier ganz vorn an der Ampel stehen konnten. Bei Grün gab er vollgas und zog dann vor die Linksabbieger. Ein Schwenk, der Hauptstraße folgend, nach rechts und wir befanden uns auf der Zielgerade zum Bahnhof. Nur noch drei Ampeln geradeaus - aber auch nur noch zwei Minuten bis der Zug abfährt. Rote Ampeln durften nun nicht mehr gelten. Jeweils ein kurzer Blick in die Seitenstraßen und dann mit ordentlich Tempo über die roten Ampeln. Ich dachte, dass meine zwei Rettungsengel verrückt sein müssten, soviel Risiko für einen unbekannten Tramper einzugehen. In die Bahnhofseinfahrt fuhren wir gegen die Fahrtrichtung ein und blieben irgendwie schräg vor dem Bahnhofsgebäude stehen.
Die Uhr zeigte eine Minute nach 12 Uhr. Die junge Frau sprang vom Beifahrersitz und klappte den Sitz vor. Ich sprang raus und packte meinen Rucksack. Er war mittlerweile schon vom Fahrersitz gesprungen und rannte Richtung Bahnhofshalle. Zum Dank ein kurzer Ruf zu seiner Freundin - mehr Zeit blieb mir nicht. Dann rannte ich auch schon hinter ihm hinterher. Gemeinsam rannten wir auf den Bahnsteig und der Zug stand gerade noch da. Weiter hinten stand Fabian und winkte erleichtert. Eine kurze Umarmung mit meinem dem jungen Mann, zum Dank. Schnell joggte ich zu Fabian am hintern Ende des Zuge. Seine erste Frage: "Hast du ein Zugticket?". Natürlich hatte ich das nicht. Also hetzte Fabian wieder in die Bahnhofhalle und organisierte das Ticket, während Torsten im Abteil auf die Rucksäcke aufpasste und ich in der Zugtür stand und mit meinem Rucksack versuchte Standhaftigkeit gegenüber einem eventuellen Anrollen des Zuges zu demonstrieren. Aber Fabian schaffte es rechtzeitig zurück und wir rollten mit ein paar Minuten Verspätung in Richtung Rijeka. Und endlich hatte ich nun auch endlich Ruhe. Von meinen beiden Helfern habe ich leider nichts - keine Namen, keinen Wohnort. Aber ich bin ihnen bis heute unendlich dankbar. Ohne die beiden wäre die Sache unendlich komplizierter geworden.

Im Zug nach dem Showdown in Rijeka
 
Mit dem Zug nach Ljubljana


Rijeka - Dresden:
In Ljubljana liefen wir erstmal zwei Stunden bis zum Stadtrand. An der Autobahnabfahrt trampten wir weiter Richtung Österreich. Und das Trampen lief richtig gut in Slowenien. Erst hielt wieder eine junge Fahrerin mit einem Kleinwagen. Sie wollte erst nur mich mitnehmen. Als sie merkte, dass wir drei zusammengehören, da winkte sie nur kruz und ließ uns alle einsteigen. So wurde es sehr eng im Auto. Fabian und Torsten saßen auf der Rückbank und hatten ihre Rucksäcke auf dem Schoß. Beide konnten deshalb nichts mehr sehen. Ich stieg auf den Beifahrersitz und versuchte den Rucksack ins Auto zu bekommen. Erst steckte ich ihn zwischen die Knie, bekam dann aber die Tür nicht mehr zu. Also nahm ich den Rucksack auf den Schoß. Nun konnte ich auch nichts mehr sehen, aber immerhin die Tür schließen. Unsere Fahrerin brachte uns bis zu einer Raststelle bei Kranj. Mittlerweile war es dunkel und ich wollte eigentlich nicht weiter. Aber als wir ziemlich geschafft auf dem Bordstein vor der Tankstelle saßen grüßte mich ein VW-Transporter-Fahrer freundlich. In meiner geistigen Abwesenheit grüßte ich zurück und realisierte erst kurze Zeit später unsere neue Chance. Fabian fragte den Fahrer, als er wieder aus der Tankstelle kam und schon hatten wir nach nur 10 Minuten wieder eine Mitfahrgelegenheit. Damit schafften wir es an diesem Abend noch bis zu letzten Tankstelle vor Österreich bei Jesenice. Hier verbrachten wir eine eisige Nachte auf einer Hand voll Parkbänken. Jeder von uns vermummte sich in seinen Schlafsack auf einer der Bänke und wartete auf den nächsten Morgen.

Torsten beim Trampen in Slowenien
 
Unser Schlafplatz bei Jesenice

Dieser Morgen kam dann sehr frostig. Die Welt um uns herum hatte Raureif angelegt und wir wuschen uns so gut wie möglich in der Tankstellentoilette. Anschließend bezogen wir Tramperstellung an der Tankstelle und wärmten uns in der Morgensonne. Bereits nach kurzer Zeit sprachen wir eine junge Fahrerin mit einem Combi an und sie war zunächst bereit zwei von uns mitzunehmen. Als Fabian und Torsten ihre Rucksäcke in den Kofferraum packten organisierten sie mir noch einen Platz im Fahrzeug. So ging es mit unserem lustigen Gespann nach Österreich. Tine saß am Steuer, ich auf dem Beifahrersitz und Fabian und Torsten mit Tines kleinem Hund auf der Rückbank. Die Fahrt durch Österreich ließ uns große Auge machen. Überall lag nun Schnee, wo wir noch vor etwa einer Woche an der Tankstelle standen und auch auf der Wiese übernachtet hatten.

Wir verstanden uns super und trotz dass wir mittlerweile nicht mehr taufrisch waren machten wir mit Tine wiederrum den großen Wurf. So brachte sie uns tatsächlich die kompletten restliche 800 Kilometer bis nach Dresden. So bedankten wir uns für die Mitfahrgelegenheit und verabschiedeten uns schweren Herzens von Tine und ihrem Hund. Somit ging unser Trip durch nach Kroatien zu ende und wir hatten trotz der kurzen Zeit eine Menge erlebt. Etwa Zeitgleich erreichten auch Janine und Sebastian Dresden. Sie waren einen Tag später in Paklenica aufgebrochen, die Nächte durchgetrampt und hatten die Strecke auch in einer beachtlichen Zeit trampend hinter sich gebracht.

Überraschend Schnee in Österreich

Abschied von Tine und ihrem Hund in Dresden