Mittwoch, 30. Januar 2013

Projekt Norwegen - Kapitel IV


 Das Gebiet zwischen Göteborg und Oslo sollte ein Abschnitt der Reise werden, bei dem die positiven Eindrücke wesentlich überwiegen. Auch wenn ich wieder bei Göteborg etwas Pech mit Dauerregen hatte, führte mich dieser in die kleine Hafenkneipe in Björkö. Hier wurde ich unter den Fischersleuten freundlich aufgenommen, bekam eine Empfehlung für einen guten Übernachtungsplatz am Hafen, ein deftiges Essen und ein göteborger Bier. Wir hatten einen lustigen Abend, mit einem Gitarre klampfenden Wirt, Bundesliga vom Flachbildschirm an der Wand und Gespräche, was jeder so für Träume und Wünsche noch in seinem Leben zu erfüllen mag.

Landeplatz im Hafen von Björkö

Im dichten Inselgewirr der Schären
Ich für meinen Teil, war ja nun gerade dabei einen meiner Träume zu leben. Dazu sollte es nun die kommenden Tage durch die komplette westschwedische Schärenwelt gehen. Von hier an gibt es so viele traumhafte Inseln und Inselchen. Jeden Tag wich ich ein wenig von meiner Hauptroute ab und erkundete die schmalen Kanäle zwischen den Inseln. Trotzdem kam ich richtig schnell voran, weil ich meist vor Wind und Wellen gut geschützt unterwegs war. Auf dem Weg lagen immer wieder kleine Fischerdörfer, mit ihren kleinen Häuschen im schwedischen Stil, mit kleinen Hafenanlagen und das alles umrahmt von einer recht kargen, felsigen Natur.

Zwischen den Schäreninseln passt manchmal kaum das Kajak durch...

... aber das Erkunden des Insellabyrinthes macht Spaß.

Immer genug Möglichkeiten zum lagern


Das Paddeln ging wie von selbst, bis ich Lysekil erreichte. Hier hatte ich mal wieder einen stürmischen Tag und bis ich Kungshamn erreichte musste ich ausschliesslich nach Nordwest - dem Sturm entgegen. Dem entsprechend erschöpft erreichte ich am Folgetag dann Hamburgsund. Für diesen Ort kann ich ruhigen Gewissens eine Empfehlung aussprechen. Die Schären fand ich hier besonders schön und werde auf jeden Fall nocheinmal hierher zurückkommen, um die vielen kleinen Eilande zu besuchen. Außerdem kann man gut im Hafen anlegen, einkaufen und in der Hafentoilette sogar warm duschen. Ein Umstand, der in dieser Gegend nach der Saison im September absolut nicht selbstverständlich ist. Hier traf ich auch auf die Seekajakfahrer Hana, Tomas und Cyril aus Prag. Gemeinsam mit ihnen teilte ich mir eine Nacht das Lager. Dank ihnen konnte ich auch mal wieder Kontakt mit meinen Lieben in Dresden aufnehmen. Mein Mobiltelefon versagte mittlerweile den Dienst und ich war immer in Sorge, dass sich meine Familie zu Hause um mich sorgen würde - irgendwie paradox. Aber meine neuen tschechischen Freunde liehen mir ihr Telefon für den Anruf.

Cyril, Hana und Tomas bei Hamburgsund





In der Nachricht an die Lieben zu Hause beteuerte ich immer wieder, dass nun eigentlich nichts mehr schief gehen könnte und dass ich eigentlich auch nicht mehr Gefahr lief durch starken Seegang zu kentern. Mein eigener Optimismus sollte mich aber hin und wieder betrügen. Bis in den Oslofjord gab es noch immer wieder exponierte Stellen, wo ich den Wellen schutzlos ausgesetzt war. Besonders zwischen Grebbestad und Havstenssund gab es eine solche Stelle. Über mehrere Kilometer musste ich bei starken Seitenwellen entlang einer felsigen Steilküste folgen und wäre beinahe doch noch einmal gekentert - weit draußen und mit wenig Chancen auf ein sicheres Anlanden. Dieser Schreckmoment ließ mich die Gefahr erkennen, der ich mich aussetzte und ich verkroch mich durch die Wassergassen bis weit ins Landesinnere bei Strömstad. So weit im Hinterland fährt es sich wie auf einem kleinen, geschützten See. Bei ruhiger See und Nieselregen passierte ich Strömstad und erreichte kurz darauf die Grenze nach Norwegen. Hier war für mich mein inneres Drängen erfüllt. Ich hatte es von Dresden bis Norwegen geschafft. Alles von hier an galt für mich als Bonus - Oslo zu erreichen sollte doch eigentlich nun einfach sein.

Erschöpft bei Strömstad


Der Blick in die alltägliche Zeltküche

Der Fjord als gebogene Zielgerade
Das einzige Problem stellte ein gesundheitlicher Aspekt dar. Seit kurz vor Strömstad hatte bekam ich Blasen auf der Oberseite der Finger - erst auf einer Hand, dann auf der anderen. Da ich kein Mediziner bin, dachte ich mir zu Beginn nichts weiter, aber bei Einfahrt in den Oslofjord verschlechterte sich die Situation. Von einer Stunde auf die andere bildeten sich neue große Blasen. Bis Oslo sollte sich das nicht ändern, egal war ich aus meinem Erste-Hilfe-Päckchen zauberte.
Die letzten 100km im Fjord stellten mich also noch einmal auf die Probe. Bis kurz vor Moss hatte ich bei eitel Sonnenschein gegen hohen Seegang zu kämpfen. Tags darauf passierte ich Moss bei Dauerregen aber war nun entgültig sicher im Fjord angekommen. In den Nächten machte mir die gespannte Haut auf meinen Händen zu schaffen, aber sobald die Hände beim Paddeln wieder feucht waren, ließen auch die Schmerzen nach.

Bei der Einfahrt in den Oslofjord

Große Stadt, Dauerregen - Der schmale Kanal in Moss


Als ich am 4. Oktober Oslo erreichte war es ein wunderschöner Sonnentag im norwegischen Herbst. Ich war überglücklich und hatte sogar noch einen Tag Zeit, bis zu meinem Rendevouz mit dem Vater meiner Studienfreundin, Emmy. Dem entsprechend ließ ich den 5. Oktober ruhig angehen. Auf einer Insel vor dem Stadtzentrum von Oslo hatte ich gezeltet und machte mich kurz vor Mittag auf den Weg Richtung Opernhaus mit anschließendem Sightseeing - natürlich alles vom Kajak aus. An der Oper erfüllte ich mir nun den Traum wahr, der mich schon seit Lübeck immer wieder motiviert hatte. Ich paddelte bis an die Basis des Gebäudes heran und legte meine Hand auf die weißen Steinplatten. Dieses Bild im Kopf, dass ich nun wie einen Schwur einlösen konnte, hatte ich immer in meinem Kopf, wenn es an Motivation mangelte und ich die Reise vorzeitig abbrechen wollte. Südlich der Museumsinsel Bygdøy traf ich dann Emmys Vater. Wir hatten uns nie zuvor persönlich getroffen, aber an diesem Strand war ich wohl auch der einzige verwahrloste Seekajakfahrer.

Blick auf die Oper von Oslo...

... und Blick auf die Mickey Maus - Hände am Ziel der Reise.

Epilog
Emmys Familie ist so herzlich, dass ich wieder einmal das Gefühl hatte, zur Familie dazu zu gehören. Das komplette Wochenende verbrachten wir mit Reisegeschichten, meine Hände wieder in Ordnung zu bringen und ich konnte meine Rückkehr nach Deutschland organisieren. Ich wäre gern noch länger in Oslo geblieben, aber das Heimweh rief mich wieder zu meiner Familie in Dresden. Also deklarierte ich mein Seekajak wieder als Fahrrad und fuhr mit der Fähre von Oslo zurück nach Kiel. Was mich vier Wochen harter Tätigkeit gen Nord gekostet hatte, fuhr ich nun innerhalb einer Nacht wieder zurück. Und auch die Menschen, um mich herum, waren ungewohnt. Es waren so viele, sie waren so laut. Und wer die Oslo-Kiel-Linie kennt, der weiß, was für ein Kreuzfahrtschiff das ist - mit dem vollen Entertainmentprogramm. Das war dann doch zu viel für mich. Da konnte ich mich nur auf Deck oder in meine Kabine zurückziehen und die Ankunft in Kiel abwarten. Und dort erwartete mich dann schon ein kleines Begrüßungskommitée meiner Familie mit dem Auto. Kajak aufs Dach und ab zurück nach Dresden.

Das Ende vom Lied: beim verlassen der Fähre in Kiel


Tobias Krug


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Blogeintrag vom 5.10.2012

++++++++++++++++++ OSLO +++++++++++++++++++++++

Finally I made it! It was a little bit rough to get into the Oslofjord. But after two days of struggle against the wind and heavy waves, I got better weather near Drøbak, yesterday. Also, yesterday in the evening, I reached OSLO. I slept on a small island in the south of the centre of the city. Today, I made some special kayak-sightseeing and visited the opera, Bygdøy and some other sights. And all just by kayak - so I never left my boat today... again :)
In the later afternoon I met the father of my friend, Emmy. I can stay here for some days and find a way to bring me and my kayak back to germany.
I think, the way to Oslo is enough for this year. Maybe, I try the part between Trondheim and Oslo another year. So at the moment I feel great and I could go further and further more. But I miss my family, especially Doreen and some parts of my body (hands and feet) don`t work any more. Since the last days, my hands are swollen and look like the gloves of Mickey Mouse. So maybe they need some rest to heal ;)

There will be some photos within the next days and - maybe - weeks on this blog. And I will write down all the stories of the journey. But first, I need a shower and I will wash my clothes and so on...

Greatings and thank you to all the people, that helped me to make my way to Norway by kayak!!!

Tobi

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