Dienstag, 8. Januar 2013

Projekt Norwegen - Kapitel II



Nun stand mir der erste Tag auf See bevor. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Der Wind kam von West. Damit war ich durch die Küste halbwegs vor Wellen geschützt. Gleich zu Beginn musste ich eine wichtige Lektion lernen. Wenn die See am Ufer ganz ruhig ist, dann hat man schon wenige hundert Meter weiter draußen immerhin schon beachtliche Welle. Mit der Neustädter Bucht hatte ich auch gleich eine gute Gelegenheit, mich auf einigermaßen offenem Wasser zu probieren. Ich versuchte also gleich mal über die Bucht abzukürzen. Allerdings musste ich bei etwa der Hälfte nach Haffkrug abbiegen, weil ich einem Schiff der deutschen Marine in die Quere gekommen wäre. Mit Tuten und Lautsprecherdurchsagen machte mir die Besatzung verständlich, dass ich hier nicht einfach passieren sollte. Jedenfalls vermute ich, dass sie mich meinten und mit der Route am Ufer entlang ging ich dann einfach auf Nummer sicher.

Begegnung mit großen Schiffen bei Travemünde

Bis hoch zur Insel Fehmarn hatte ich super Sommerwetter. Angenehme Wärme und kaum Wind ließen mich, in den Mittagspausen, faul werden. Manchmal blieb ich stundenlang am Strand und las ein Buch. Bei der Umrundung von Staberhuk im Osten Fehmarns bekam ich dann dass erste mal hohe Wellen zu spüren. Durch die Passage zwischen Festland und Insel konnte der Wind aus West hindurch. Dementsprechend bauten sich hohe Wellen auf und es wurde erst ruhig, als ich die Ostspitze Fehmarns hinter mir hatte.

Sommerliche Stimmung südlich von Fehmarn
Die sprichwörtliche Handbreit Wasser unterm Kiel


Ankunft in Dänemark
Auf Fehmarn hatte ich mir vorgenommen, die Lage zu sondieren. Abhängig von Wind, Wellen und meinen eigenen Fähigkeiten wollte ich hier entscheiden, ob ich nach Dänemark hinüberpaddele oder doch mit der Fähre übersetze. Da der Wind immernoch stark aus West kam, ich aus der niedrigen Kajakperspektive die dänische Insel nicht sehen konnte und mir noch die Erfahrung mit großen, exponierten Wasserflächen fehlte ging ich lieber auf Nummer sicher. Kurzerhand schnallte ich mein Seekajak auf meinen kleinen Kajaktrolley und zog das Boot bis zum Fährterminal. Hier gab es dann etwas Verwirrung am Ticketschalter.

Hier ein kurzer Querschnitt aus dem netten Gespräch am Schalter:
Das Seekajak parke ich neben einigen Motorrollern vorm Gebäude. 
Als Halb-Verwahrloster betrete ich das Büro des Fährterminals. Hinterm Ticketschalter steht eine nette Frau und fragt mich nach meinem Anliegen. Dahinter stehen mehrere Schreibtische, wo zum Teil anderes Personal sitzt.

Ich: "Hallo, ich bin hier ohne Auto, aber dafür mit einem Seekajak auf einem kleinen Wagen. Ich möchte gern nach Dänemark übersetzen. Welchen Tarif muss ich denn da bezahlen und wie komme ich auf die Fähre?"

Schalterpersonal: "Na ganz einfach, dann ist sind sie ja Fußgänger und ihr Kajak gilt als Gepäck. Da müssen Sie rechts die Treppe hoch und dem Gang bis aufs Deck folgen."

Ich: "Mit dem Kajak die Treppe hoch wird nicht möglich sein."  

Ich war nicht kurz angebunden, sondern kam einfach nicht recht zu Wort.

Schalterpersonal: "Gar kein Problem. Dann nehmen sie doch den Fahrstuhl neben der Treppe."

Ich: "Sind sie sicher, dass in ihren Fahrstuhl ein Kajak von 5,50 Metern länge hineinpasst?"

Die Frau hinterm Schalter runzelt die Stirn. Im Hintergrund lacht eine zweite Frau. Sie hatte also mitgelauscht.

2. Frau im Raum hinterm Schalter: "Da kann er ja auch gar nicht mit dem langen Boot auf das Deck. Da ist gar nicht soviel Platz."

Jetzt hatte ich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller im Raum.

Ich: "Ich habe mal gelesen, dass es möglich sei, das Kajak als Fahrrad zu deklarieren und so aufs Schiff zu kommen?!? Wäre das vielleicht denkbar?"

Die Frau hinterm Ticketschalter stößt hörbar die Luft aus. Sie greift zum Telefon und ruft bei der Fahrzeugzufahrt an.

Schalterpersonal: "Guuut, wir machen es wie folgt. Sie ziehen ihr Kajak bis zum Fahrzeugterminal zurück. Dort erwartet Sie jemand, der Ihnen das Ticket für ein Fahrrad ausstellt. Die meinen, dass wäre OK."

Mein Seekajak auf der Fähre nach Rødbyhavn

Damit war es geklärt. Nachdem ich mein Boot fünf Kilometer durch Puttgarden gezogen hatte, musste ich es nun wieder 300 Meter bis zur Fahrzeugeinfahrt zurückziehen. Hier bekam ich mein Überfahrtticket und musste mich hinter verdutzt grinsenden Motorradfahrern anstellen. Als es los ging wurde ich vom Personal aus der Reihe und zu den LKW zitiert. Nach dem letzten LKW durfte ich aufs Schiff und mein Seekajak im Laderaum festzurren. Lief doch wie geschmiert!
In Dänemark angekommen waren die Bedingungen dann nicht so gut zum Ablegen. Starker Wind und ungemütliche Wellen zwangen mich am Ufer zu bleiben. Da ich ja sowieso schon alles so schön auf dem Boot festgemacht hatte, zog ich meinen Karren dann halt gleich noch 10 Kilometer den Deich entlang. Es gibt schöneres, als den halben Tag das Boot hinter sich her zu ziehen.

Der 10 Kilometer - Fußmarsch am Deich

Der Preis der Einsamkeit
Anschliessend schlängelte ich mich im Kajak zwischen den Inseln in Richtung Kopenhagen. Es gab unglaublich schöne Küstenlandschaften nördlich von Guldborg. Den kompletten Tag arbeitete ich mich gegen den Wind voran und bei Urehoved gab es erstmals Reparaturbedarf an der Steueraufhängung. Und ich bekam zu spüren, wie katastrophal sich Isolation von Anderen auswirken kann.

Mit Rückenwind geht es Richtung Nysted
Die Schokopause kann irgendwann nicht mehr motivieren

Nach zwei Tagen ohne jeglichen Kontakt zu Menschen hatte ich südlich von Bønsvig jegliche Motivation verloren und wollte gern wieder nach Hause. Ein paar Anrufe zu Hause halfen auf die Beine und letztlich traf ich in dieser Situation auf Steen Peterson und seine Frau. Sie luden mich über den Mittag in ihr Sommerhaus ein und halfen mir meine Motivation wiederzufinden. Beide machten mir klar, dass ich dringend mal einen ruhigeren Tag brauchte. Sie versorgten mich mit Routentipps und machten mir klar, dass diese Reise eine super Sache ist.
Von da an ging es wieder besser. Das restlichen knapp 100 km bis Kopenhagen waren nun kein Problem mehr. Bei sonnigstem Wetter paddelte ich entlang der steilen Felsküste des Stevns Klint.

Stevns Klint - 55 Kilometer ohne Landgang

Als ich allerdings in den Kanälen der dänischen Hauptstadt ankam, hatte ich Dauerregen, weshalb ich nicht einmal auszusteigen wagte. Die Wärmezelle im Kajak, bei geschlossenem Spritzdeck war mir heilig. Somit beschränkte sich die Stadtbesichtigung auf die kanalnahen Gebäude und ich erreichte am Abend noch die Erimitagesletten südlich von Vedbæk. Und was es braucht, um die Motivation aufrecht zu halten, das wusste ich nun seit der Begegnung mit den Petersons - Kontakt mit einheimischer Bevölkerung, bei möglichst jedem Landgang. Umso dankbarer war ich dann für ein Gespräch mit dem Fotografen Flemming Larsen.
Er traf auf mich, als ich gerade früh mein Lager trocknete und abbaute. Unser Gespräch drehte sich ums Fotografie, welchen Weg ich am Besten zur Querung nach Schweden nehme, Reisen im Allgemeinen, wie es den Reisenden verändert und dass der Jakobsweg ein lohnendes Ziel ist. Am Ende machte er noch Fotos von meinem Lager und sendete es später an Doreen in Dresden. So hat halt jeder etwas zu geben. Ich hoffe, ich kann es irgendwann mal einem Reisenden gleichtun.
An diesem Tag paddelte ich an der Insel Vien vorbei, zum schwedischen Festland. Am Abend erreichte ich, nach heftigem Wellengeschaukel, den Stadtstrand von Helsingborg. Nun hatte ich also schwedischen Boden unter den Füßen und die Hälfte der Strecke bis Oslo hinter mir. Für den Moment war ich mir sicher, dass ich es schaffen würde.

Querung von Dänemark nach Schweden
Strandlager in Helsingborg

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Blogeintrag vom 26.09.2012

Hallo liebe Leute,

in Tobis Abwesenheit verwalte ich, Doreen, seinen Blog, sodass ihr immer schauen könnt, wo er gerade ist. Manchmal gibts sogar Bilder, wie z.B. heute :) Freitag und Samstag hat Tobias eine Pause gemacht, die Wellen waren ziemlich stark und er musste sich auch mal wieder gründlich erholen.


Franz hat Tobi im Faltboot bis nach Lübeck begleitet und ist dann mit dem Zug wieder nach hause gedüst. An der dänischen Küste hat Tobias einen sehr aufgeschlossenen und freundlichen Dänen getroffen, der gleich Feuer und Flamme für Tobis Reise war :) Tobi konnte sich ein paar Stunden in seiner Ferienhütte ausruhen, Frischwasser auffüllen und nach hause telefonieren, was die Freundin natürlich sehr gefreut hat :)

Drückt alle eure Daumen, dass Tobi gutes Wetter hat und einen vorteilhaften Wind, sodass er ohne große Komplikationen in Oslo ankommt.

Liebe Grüße, Doreen

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