Sonntag, 28. Oktober 2012




Wir waren unbeholfen, als wir Lima das erste mal betraten und, entgegen meinen Erwartungen, hatten drei Wochen im Hinterland kaum etwas an unserer Hilflosigkeit geändert. Der Taxifahrer vom Flughafen wollte nicht recht auf uns hören, setzte uns an einem teueren Hostel seiner Wahl ab und verlangte eine unverschämte Summe Geld. Wir wussten auch nicht, ob wir dem Hostelbesitzer vertrauen konnten oder ob sie gemeinsame Sache machten. In der folgenden Preisverhandlung - die mafiöse Züge annahm - stellte sich immerhin heraus, dass scheinbar der Hostelbesitzer auf unserer Seite war und der Taxifahrer einfach nur unverschämt war. Touristen müssen in Lima offensichtlich gerupft werden, wie eine Weihnachtsgans. Innerlich machte mich diese Situation unruhig und ich beruhigte mich erst wieder bei einem Spaziergang durch den Stadtteil Miraflores. Meine Mutter und ich hatten ein Zimmer über dem Eingang des Hostels. Und so konnte ich am nächsten Morgen beobachten, wie erneut ein schwarzes Taxi vorfuhr und die nächsten Touristen ablieferte und ihnen noch den doppelten Betrag unserer Wuchersumme abnötigte.


Im vollen Micro Richtung San Pedro de Casta
Es war höchste Zeit Lima nocheinmal für zwei Tage den Rücken zuzukehren. Unser Ziel war wiedermal ein Geheimtipp von Tilmann. Nur 70 Kilometer Luftlinie, aber 4000 Höhenmeter entfernt sollte sich das Felsplateau "Marcahuasi" befinden. Wir deponierten alle unnötigen Gepäckstücke im Hostel und nutzten Micros - Personenbusse größer als Collectivos, aber kleiner als Reisebusse - um durch die ärmsten Viertel Limas gen Osten zu verlassen. In Chosica verliesen wir den Micro und warteten zwei Stunden auf die Abfahrt des Micros nach San Pedro de Casta. Waren wir zuvor noch im Tal unterwegs, ging es nun rapide hoch in die Berge. Die Straße war längst nur noch eine Schotterpiste auf der jeder Gegenverkehr zum Problem wurde. Auf der einen Seite war die steile Bergseite und auf der anderen Straßenseite ging es meist in einen hunderte Meter tiefen Abgrund. Mit der Zeit füllte sich das Fahrzeug mit immer mehr Einheimischen, bis es selbst für peruanische Verhältnisse kaum mehr Platz gab. Am Abend erreichten wir San Pedro de Casta. Von hier muss man die restlichen 400 Höhenmeter nach Marcahuasi wandern. So schliefen wir bei knapp 4000 Metern Höhe mit einer super Aussicht.

Blick über den Rand der Straße

San Pedro de Casta

Auf dem Weg nach Marcahuasi

Klettern in Marcahuasi

Das Koloseum von Marcahuasi

Abbruchkante des Plateaus Richtung Lima

Der nächste Morgen wartete mit dem gewohnten Sonnenschein. So hatten wir bestes Wetter, um die Felsen des Hochplateaus genauer zu erkunden. Marcahuasi ist trotz der riskanten Anreise empfehlenswert. Die Gipfel, Felstürme und Gesteinformationen sind in den seltsamsten Formen verwittert. Ein wenig Klettern war uns dann auch noch möglich. Bei den figürlichen Felsstrukturen ist man sich bis heut nicht sicher, ob sie nicht vielleicht doch durch einer Kultur behauen sein könnten. Vom Rand des Plateaus kann man bis Lima und weiter auf den Pazifik schauen. Wir waren einige Stunden unterwegs und schafften trotzdem nicht das komplette Plateau zu erforschen. Teils lag das auch an einer herannahenden Unwetterfront. So mussten wir schnell vom Plateau herunter und uns in die nähe von San Pedro begeben. Die Weg sind hier überall von Kaktusbäumen umgeben. Durch den einsetzenden Regen fingen diese sofort an zu blühen. Ein schönes Schauspiel der Natur und wir waren in der ersten Reihe dabei. Aber auch wir blühten förmlich auf. Für uns war es der erste Regen seit Beginn unserer Reise, drei Wochen zuvor. Nur auf das Gewitter hätten wir verzichten können. Wir lagen dann schon 17 Uhr im Zelt, im Schutz einer Eselkoppel.

Der zeitige Schlaf hatte auch seine guten Seiten. So fiel es uns nicht schwer zeitig aufzustehen und den frühe Bus zurück nach Lima zu bekommen. Es verkehren nur zwei Busse am Tag in jeder Richtung und wenn wir unseren Flieger heimwerts bekommen wollten, dann sollten wir möglichst den ersten Bus bekommen. Oder spätestens den Zweiten. Meine größte Sorge war, dass das Unwetter in der Nacht die Schotterpiste über Nacht unpassierbar gemacht haben könnte. Aber zum Glück waren meine Befürchtungen falsch und wir erreichten wieder unser Hostel in Lima. Unserem Hostelbesitzer vertrauten wir mittlerweile halbwegs und so ließen wir uns von ihm ein Taxi für den nächsten Morgen zum Flughafen organisieren. Und tatsächlich funktionierte alles bestens und wir erreichten den Flughafen trotz Verkehrschaos rechtzeitig und zu einem vertretbaren Preis. Der Rückflug über Venezuela verlief weitesgehend reibungslos, außer das ein Razzia des Lufthansa-Fliegers in Caracas für zwei Stunden Verspätung sorgte. Nach dem großen Sprung über den Atlantik, und einem kurzen Zwischenstopp in Frankfurt, landeten wir wohlbehalten wieder in Dresden.

Einwohnerin von San Pedro de Casta
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Blogeintrag vom 10.10.2010

Nun kommen wir zu einem absoluten Geheimtipp für alle Weltenbummler. Als Abschluss unserer Perureise stand ein Besuch in Marcahuasi an. Dabei handelt es sich um ein Felshochplateau nur 70 Kilometer von Lima entfernt. Nur 70 Kilometer, aber 4000 Höhenmeter Unterschied. Dieser Höhenunterschied ist auch der Grund, warum man für die 70 Kilometer auch 6 Stunden Fahrt braucht.

Da dieses Hochplateau touristisch eher unbekannt ist, möchte ich die Anreise etwas genauer beschreiben. Man verlässt Lima mit dem Micro (kleiner Linienbus) und fährt nach Chosica. Dabei kommt es auch auf das richtige Timing an, denn der Anschlussbus von Chosica nach San Pedro de Casta fährt nur zwei mal am Tag - einmal früh so gegen 9:00 Uhr und am Nachmittag so gegen 15:00 Uhr. Alle Zeitangaben sind natürlich im peruanischen Zeitmaß zu sehen. Im Klartext bedeutet das, dass der Bus auch eine halbe Stunde eher, aber auch eine ganze Stunde später starten kann. Also lieber ein bisschen eher da sein und für die Fahrt bereit halten. Die Fahrt nach San Pedro de Casta ist nicht unbedingt für schwache Nerven. Die eine Straßenseite ist gehts steil den Berg hoch, die andere Seite geht steil bis senkrecht in die Tiefe. Und die Schotterpiste ist nicht viel breiter als der Bus. Da wird es dann immer interessant mit dem Gegenverkehr. Wenn man einmal in San Pedro ist ist der Weiterweg nach Marcahuasi kaum noch zu verfehlen und die Dorfbewohner helfen einem gern zum richtigen Weg.

Marcahuasi ist ein Traum für jeden Kletterer, denn von seiner Beschaffenheit ist es praktisch die sächsische Schweiz von Südamerika. Und im September ist man dort oben praktisch allein. Das Gestein ist natürlich kein Sandstein, sondern wohl eher stark verwitterter Granit. Aber es ist griffig und rund verwittert, so dass es manchmal so wirkt, als sei da Honig die Wand runter gelaufen und mittendrin erstarrt - atemberaubend schön. Da es hier normalerweise keine Kletterer gibt, muss man sich alles selbst absichern, freesolo klettern oder sich auf das Bouldern beschränken. Wir hatten kein Kletterzeug dabei. Somit haben wir uns auf die letzten beiden Spielarten des Kletterns verlegt - natürlich nur mit leichten Klettereien.

Die Hochfläche von Marcahuasi bricht dann auf einmal vor deinen Auge die kompletten 4000 Höhenmeter nach Lima ins Tal. Und an der Kante stehen interessante Felstürme, die nur auf Kletterer warten. Dort klettert man im Schatten des Condors.
Beim Rückweg mit dem Bus muss man genauso gut auf das Timing achten, wie auf dem Hinweg. Der Bus fährt nur gegen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr. Die klappernden Busse sind nervig laut. Ohne Gehörschutz klingeln einem nach der Busfahrt buchstäblich die Ohren. Die Busstrecke ist auch sicher nicht ungefährlich. Die Straßen sind schmal und nicht selten fährt der Bus an Abgründen entlang, die mehrere hundert Meter in die Tiefe reichen. Letztlich haben wir es aber gut überstanden und das Erlebnis "Marcahuasi" war es auf jeden Fall wert.

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